Eine Woche bin ich nun in Guaranda. Dem Rom Ecuadors, da es zwischen sieben Hügeln gebaut wurde. Es ist im Ganzen sehr hügelig. Es gibt Straßen, die so steil sind, dass ich niemals gedacht hätte, dass es sowas gibt. Ich glaube, im Ganzen habe ich Glück. Ich wohne mit Rike (einer anderen Freiwilligen) zusammen in einer Wohnung. Wir haben jeder unser eigenes Zimmer, eine eigene Küche und Bad usw. Man duscht hier zwar kalt aber sonst funktioniert alles gut. Meistens auch das Internet. Die Stadt Guaranda ist sehr ruhig und wohl auch sehr sicher. Man kann hier auch ohne Probleme nachts alleine rumlaufen, was mich sehr beruhigt. Unsere Wohnung liegt über der Wohnung von meinem "Chef" und seiner Familie. Das heißt in diesem Fall: Er, seine Eltern und Geschwister. Wir können also immer bei denen anklopfen, wenn etwas ist. Bei unserer Arbeit gibt es zwei Bereiche. Aufforstung und Mülltrennung. Irgendwie haben die plötzlich eingeteilt, dass Rike jetzt Aufforstung macht und ich Mülltrennung, obwohl wir eigentlich gesagt haben, dass wir beide gerne Beides machen möchten. Obwohl ich nicht wirklich sagen würde, dass ich in der letzten Woche schon mal gearbeitet habe. Am Montag wurde uns alles gezeigt und wir haben ein bisschen Spanisch gelernt. Am Dienstag fuhren wir mit dem Auto in umliegende Dörfer. In dem einen Dorf mit Namen Simiatug leben wohl fast ausschließlich Indigenas und da gab es eine Réunin. Das heißt, dass ganz viele indigene Bauern in einem Raum sitzen und die Leute von unserer Arbeit auf Spanisch irgendetwas erzählen. Dazu noch eine PowerPoint und anschließend eine Diskussion. Am Mittwoch fuhr ich mit einigen Leuten aus dem Projekt nach Lago Agrio, im Regenwald. Da war eine Messe zum Thema "Müll". Wir fuhren also am Mittwoch los. Allerdings viel später als erwartet. Es sollte um Neun losgehen. Um zehn vor Neun stand ich also auf der Matte. Um ca halb zwölf wurde mir gesagt, ich könnte mich schon mal ins Auto setzen. Um 13 Uhr ging es dann wirklich los. Allerdings schafften wir die Strecke, die quasi wirklich einmal durch Ecuador ging. Die rasen hier nämlich mit 80km/h über jegliche Art von Straße.
Im Regenwald war es toll. Ich würde zwar nicht sagen, dass ich wirklich den Regenwald gesehen habe. Lago Agrio ist halt eine Großstadt im Regenwald. Also, eine Stadt mit tropischem Klima. Die Fahrt dahin war (neben der zeitweiligen Todesangst und Übelkeit aufgrund der Fahrweise) wunderbar. Ich konnte richtig sehen, wie die Landschaft sich langsam verändert. Erst die Anden mit den grünen Hügeln, Wiesen, manchmal etwas Nadelwald und kleine Bauernhöfe. Dann den Bereich zwischen Hochland und Regenwald, der für mich am Allerschönsten war. Große Bäume, riesiger Farn, Berge und Wasserfälle. Und dann die richtige tropische Landschaft mit Bäumen, Palmen, Blumen und bunten Häusern. Das war einfach schön. Und ich habe durch diese Reise ein paar Ecuadorianer kennengelernt. Allerdings ist das mit der Sprache für mich wirklich ein Problem. Es gibt immer so viele Missverständnisse und ich kann einfach nicht sagen, was ich will. Es ist so eine Schranke zwischen mir und den anderen. Ich merke zwar wie es immer besser wird aber es ist immer noch so schwierig. Ich kann zwar einfache Sätze und mich irgendwie verständigen aber kaum wird es komplizierter, kann ich nichts sagen. Aber die Leute sind sehr offen und interessiert und stellen viele Fragen. "Warum lebst du nicht mehr bei deinen Eltern?", "Habt ihr in Deutschland spezielle Kleidung für den Winter?", "Wie lange dauert eine von den vier Jahreszeiten?". Am Spannendsten ist aber immer (wie sollte es anders sein) die Frage danach, ob ich schon verheiratet bin. "Komisch. Du bist doch hübsch." War eine erstaunte Antwort, als ich dies widerlegte.
Hier in der Stadt lebt auch ein Deutscher. Der arbeitet auch bei dem Mülltrennungsprogramm, bei dem ich mitmache und hat nebenbei seine eigene Metzgerei, in der er Wiener Würstchen und Leberkäse verkauft. Der hat mir jedenfalls ein paar interessante Sachen in Aussicht gestellt. Sie wollen ein Theaterstück mit Kindern machen, in dem erklärt wird, dass Mülltrennung total cool ist und eine Dokumentation über das Projekt soll gedreht werden und das soll ich machen. Das begrüße ich natürlich sehr und hoffe, dass beides wirklich zustande kommt.
Nun ja, Heimweh habe ich eigentlich kaum. Am ersten Abend, als wir hier ankamen, war mir schon zum Heulen zumute. Die tolle Zeit in Quito war vorbei und ich fühlte mich allein und fremd und mir wurde bewusst, dass ich ein Jahr hier bin. Aber da kam schon eine Sms von einer anderen Freiwilligen, der es ähnlich ging und da fühlte man sich nicht mehr so alleine. Dann habe ich einfach jeden Tag viel unternommen und habe gar keine Zeit meine Gedanken mit Heimweh zu verschwenden.
Zurzeit bin ich immer dabei mich zu wundern und mich gleichzeitig sehr darüber zu freuen, dass ich in diesem tollen Land sein kann. Es ist hier so vielfältig und immer wieder gibt es etwas zu sehen oder zu hören, was mich aufs Tiefste berührt. Zum Beispiel der Markt, auf dem die indigenen Bauern ihr Gemüse verkaufen. Oder die Salsa-Musik, mit der ich so manchen Morgen schon geweckt wurde. Ein Auto, auf dessen Rückbank sich einfach mal sieben Leute quetschen. Manches finde ich aber auch einfach nur seltsam. Zum Beispiel, dass die Familie über der wir wohnen alle Möbel mit Schutzfolie überzogen hat. Oder dass die Leute von unserer Arbeit (einer Umweltorganisation!!!) bei einer Autofahrt während jeder Pause den Motor laufen lassen. Ob man zehn Minuten Rauch- und Pinkelpause macht oder eine Stunde irgendwo Mittagessen geht.
Aber das sind einfach Dinge, über die ich mich halt wundere. Ich bin froh hier zu sein und es geht mir gut!!
Bei einer Wanderung um Guaranda.
Straße in Lago Agrio
Kostüme bei der Müllmesse
Rückfahrt im Bus
Abendessen